Abstract
Brigitte Kronauer, eine der bekanntesten deutschen Gegenwartsautorinnen, wirft in ihrem Roman Die Frau in den Kissen einen sehr intensiven Blick auf das Mythische, auf den Ursprungszustand der Natur und der Menschheit. Dieser Roman führt mehrere Elemente des mythischen Denkens vor, indem er immer wieder die Idee einer elementaren Weiblichkeit betont (gemeint sind hier die tradierten Vorstellungen vom Weiblichen als Gebärenden, erotisch Verführenden, Todbringenden). Während Feministinnen (z. B. Silvia Bovenschen) nach der Umschreibung von vertrauten Mythen, die ihrem Urteil nach repressive kulturelle Ordnung präsentieren, streben, beweist das literarische Unternehmen Kronauers, daß neben dem mythoskritischen Ansatz auf der anderen Seite ein affirmatives Mythosbild steht, bei dem das kritische Hinterfragen bestehender Mythen kein erklärtes Ziel darstellt. Die zentralen Frauenfiguren im Roman Die Frau in den Kissen verbildlichen die Vorstellung vom mythischen Einswerden der Frau mit der Natur, indem sie sich vom Gesellschaftlichen distanzieren und den einer natürlichen Sphäre entstammenden Vorstellungen von sich selber nähern (sie identifizieren sich z. B. mit Pflanzen, Tiergestalten und mythischen Wasserfrauen). Das Mythos-Material erfährt im Roman Kronauers eine Transformation, aber diese Transformation ist keineswegs auf die Abschaffung oder Umdeutung von Geschlechtspolaritäten gerichtet: Die Autorin behält die alte Zuschreibung des Weiblichen zum Naturbereich, obwohl ihre naturhaften Frauenfiguren als Bewohnerinnen der modernen Großstadt erscheinen und ihre Wünsche nach der Verwandlung in Naturwesen nur Illusionen bleiben. Dieser Roman ist ein treffendes Beispiel dafür, daß sogar am Ende des 20. Jahrhunderts die abendländische Welt die tradierte Vorstellung von Frau als Naturwesen nicht ganz ausschließt und in verschiedenen Variationen zum Ausdruck kommen läßt.
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